Aggro? Oder was?
Christian Segmehl und Ingo Dannhorn spielen Musik für Saxophon und Klavier aus drei Jahrhunderten
Bringt man auch nur eine CD mit guten Stücken für Saxophon und Klavier voll? Aber hallo! Und wenn man Christian Segmehl heisst, dann schon gleich dreimal.
Christian Segmehl ist – wir sind jetzt mal ein bisschen unbescheiden, aber er hört uns ja nicht – heute vielleicht der beste „klassische“ Saxophonist in Deutschland. Oder sogar in Europa – kommt drauf an, wie man es sieht.
Christian Segmehl wurde 1977 in Biberach an der Riß geboren. Nach dem Abitur hat er am Richard-Strauss-Konservatorium in München und danach an der Amsterdamer Musikhochschule (bei Arno Bornkamp) studiert, wo er auch sein Konzertdiplom abgelegt hat.
Heute spielt Segmehl regelmäßig mit großen Orchestern, z.B. mit dem Orchestre Symphonique de Montréal, dem Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks oder den Berliner Philharmonikern, widmet sich jedoch auch der Kammermusik in unterschiedlichen Besetzungen. Sein Repertoire umfasst die gesamte Bandbreite der Saxophonmusik und reicht von der Romantik des 19. Jahrhunderts über die klassische Moderne des 20. Jahrhunderts bis zu den allerneuesten Werken zeitgenössischer Komponisten.
Auf dieser CD spannt Christian Segmehl zusammen mit seinem kongenialen Klavierpartner, Ingo Dannhorn, einen weiten Bogen. Die beiden beginnen mit einem Stück von einem gewissen Jules Demersseman (1833-1866), den kaum noch einer kennt. Das ist schade, denn dieser Belgier, der in Paris studiert hat, war einer der größten Flötenvirtuosen des 19. Jahrhunderts. Die hier präsentierten Variationen könnten genauso gut von Giacomo Rossini stammen. Das Stück hat alles, was die Kompositionen von Rossini auszeichnet: schöne Melodien, virtuose Läufe, Sprünge und Passagen und eine straffe formale Struktur.
In diese harmonische Idylle platzt dann Erwin Schulhoff mit seiner „Hot-Sonate“ aus dem Jahr 1930. Das ist eine frische Mischung aus klassisch europäischer Satztechnik und einem bluesigen Chicago-Jazz, den man auch aus Gershwins Rhapsody in Blue kennt. Der Zuhörer ist erstaunt, wie gekonnt Schulhoff, der aus Prag stammt, nie in den USA war und den Jazz doch nur von Grammophonplatten kannte, die Sprache des Jazz trifft.
Eines der Hauptwerke auf der CD ist das großangelegte Stück „Aggro“, eine Absage an den konventionellen Musik- und Konzertbetrieb von Moritz Eggert, einem der besten zeitgenössischen Komponisten in Deutschland. Dazwischen hat Christian Segmehl aber noch „Scaramouche“ von Darius Milhaud geschmuggelt, das ist eine dreisätzige Suite, deren Schlusssatz („Brasileira“) so ziemlich die fetzigste Samba für Saxophon enthält, die man sich überhaupt nur denken kann.
Gewissermaßen als Sahnehäubchen gibt es dann zwei Stücke für Saxophon solo von Barry Cockcroft, einem Australier, der heute zu den bekanntesten klassischen Saxophonisten auf der ganzen Welt zählt und 140 Werke für sein Instrument geschrieben hat. Obwohl Cockcroft freitonal komponiert, hat seine frische, spritzige und rhythmisch stark betonte Musik den Weg in den Mainstream gefunden.
Alles in allem ist das eine großartige CD, die dem Hörer einen Weltklasse-Saxophonisten mit einem superben Klavierbegleiter vorstellt und ihm eine Auswahl von Stücken für eine Besetzung bringt, die man ruhig öfter hören könnte.
Bestellnummer: CTH2625
Mit Christian Segmehl ist bereits eine weitere CD bei THOROFON erschienen: CTH2624 SAXOPHON PLUS