Die Jerusalemer Erlöserkirche und ihre Orgel
Gunther Martin Goettsche spielt Orgelmusik aus vier Jahrhunderten auf der Schuke-Orgel der Erlöserkirche Jerusalem
Wer in Jerusalem auf der Stadtmauer steht und seinen Blick über die Stadt schweifen lässt, dem fällt auf derselben Höhe, allerdings etwas westlich von Tempelberg und Felsendom, eine hoher, weißer Kirchturm mit einem pyramidenförmigen Schieferdach auf. Der Turm wirkt massiv und zeichnet sich gegen die Silhouette der in der Ferne liegenden Wohnhäuser, Hochhäuser und der ewigen Baukräne deutlich ab.
Dieser Turm gehört zur Jerusalemer Erlöserkirche, einem neoromanischen Bau, der mitten in der Jerusalemer Altstadt gelegen ist und am Ende des 19. Jahrhunderts mit Unterstützung von Kaiser Wilhelm II. errichtet wurde.
Mit dem Bau der Erlöserkirche verband der letzte deutsche Kaiser mehrere Ziele: Er wollte sich auf der einen Seite in eine Reihe mit dem römischen Kaiser Konstantin stellen, der im Jahr 326 den Bau der Grabeskirche in Jerusalem in Auftrag gegeben hatte. Andererseits wollte er sich als Schirmherr der evangelischen Kirche ebenso profilieren, wie er deutsche geopolitische Ansprüche im Nahen Osten anmeldete – Bestrebungen, die später im Bau der Bagdad Bahn gipfeln sollten.
Erbaut auf den Ruinen einer alten Kreuzfahrerkirche und umgeben von orientalischen Bazar-Straßen, ist die Kirche heute Anziehungspunkt für Touristen aus aller Welt und Zentrum einer lebendigen deutschen evangelisch-lutherischen Auslandsgemeinde. Die Konzerte in der Erlöserkirche sind seit Jahrzehnten ein wichtiger Bestandteil des kulturellen Lebens in Jerusalem.
Auf der berühmten Schuke-Orgel der Erlöserkirche spielt der deutsche Organist Gunther Martin Goettsche ein Programm großer Orgelwerke aus Barock und Romantik.
Goettsche beginnt mit dem e-Moll-Präludium (BuxWV 142) von Dietrich Buxtehude (1637-1707), einem Spätwerk des Lübecker Organisten, das zu den großartigsten Schöpfungen des norddeutschen Orgelbarocks gezählt werden darf.
Wer Orgel und Barock sagt, kommt an Johann Sebastian Bach (1685-1750) nicht vorbei. Auf dieser Einspielung hören wir das großartige Präludium mit seiner fünfstimmigen Fuge in Es-Dur (BWV 552), das den III. Teil der Klavierübung aus dem Jahr 1739 umrahmt. Man vermutet, dass die dreiteilige Gestaltung beider Sätze die göttliche Dreieinigkeit abbilden soll.
Danach machen wir einen großen Sprung zu Felix Mendelssohn Bartholdy (1809-1847) und seiner Orgel-Sonate A-Dur op. 65 Nr. 3 aus dem Jahr 1845. Mendelssohn war nicht nur selber ein hervorragender Organist, sondern zusammen mit seinem Lehrer Zelter auch einer der Wiederentdecker der Matthäuspassion von Johann Sebastian Bach, wodurch sich, was man dieser Orgelsonate anhört, zwischen beiden Komponisten mannigfaltige Beziehungen ergeben.
Den Abschluss der romantischen Orgelwerke auf dieser Aufnahme bildet der Choral in a-Moll aus den 1892 erschienenen „Trois Chorals“ von César Franck (1822-1890), der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wie kein anderer zu einer Renaissance der Orgelmusik beigetragen hat. Dieser dritte der Trois Chorals ist ein weitausgreifendes Stück zyklischer wiederkehrender Teile, das nach fast 14 Minuten Dauer und einer mächtigen Steigerung auf einem glanzvollen Höhepunkt endet.
Das vorletzte Werk auf dieser CD stellen die vier Psalm-Meditationen „In Tenebris“ (In der Dunkelheit) von Gunther Martin Goettsche dar. Das Werk ist dem Gedenken der Opfer des Terroranschlags auf die USA am 11.09.2001 gewidmet; es wurde anlässlich des einjährigen Jahrestages dieses Ereignisses am 12.09. 2002 in Evanston/Illinois uraufgeführt.
Heinz Werner Zimmermann (*1930) war lange Jahre Kompositionsprofessor an der Frankfurter Musikhochschule und zählt zu den maßgeblichen Vertretern der deutschen evangelischen Kirchenmusik in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts. 1955 veröffentlichte er seine „Vier Orgelpsalmen“. Ein nachkomponiertes Stück aus dem Jahre 2015 mit dem Titel „Jerusalem“ erklingt als letztes Stück auf dieser CD.
Der Organist Gunther Martin Goettsche studierte in Mannheim und Berlin Schulmusik, Komposition und Orgel und ist Preisträger bedeutender Wettbewerbe. Nach verschiedenen Stationen als Kirchenmusikdirektor in Deutschland und Dozent für Orgelimprovisation an der Hochschule für Kirchenmusik Heidelberg ist der Künstler seit 2013 Kantor und Organist der Jerusalemer Erlöserkirche.
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