Johann Sebastian Bach: Die Kunst der Fuge BWV 1080 (Erstfassung)
Christian Kälberer, Klavier
Die Kunst der Fuge Johann Sebastian Bachs gilt als fundamentale Leistung der Musikgeschichte, die in der Fassung der Druckausgabe zum unhinterfragten Kanon auch in der Interpretationshistorie gehört. Dabei wog offenbar die Last des Werkes bislang so schwer, dass man über den fragmentarischen und teils von fremder Hand stammenden Charakter besagter Fassung allzu leicht hinweg sah.
Doch es gibt eine Geschichte der Werkentstehung; und wer zu Bachs einzig eigenhändiger Fassung kommen will, muss zur frühest möglichen Version vordringen. Der Weg in Schritten:
3) Bachs Kunst der Fuge ist eine Sammlung polyphoner Stücke (Fugen und Kanons), die aus einem einzigen Hauptthema entwickelt sind. Die bekannte und letzte Fassung (die Druckfassung von 1752, hier: Fassung C) wurde von Johann Sebastian Bach nicht mehr vollendet und nach seinem Tod vom Sohn Carl Philipp Emanuel, mehr oder weniger nachhelfend, druckfertig gemacht. Der fragmentarisch-uneigenständige Zug liegt dabei nicht nur im unvollendeten Abschlussstück, sondern auch in der Gesamtanlage und in (teils wenig verständlichen) Ein- und Fehlgriffen Carl Philipps.
2) Nun gibt es eine früher zu datierende Fassung der Kunst der Fuge von Bachs Hand, die eine andere Reihenfolge der einzelnen Stücke hat. Diese sogenannte autographe Partitur von 1740 ff. enthält aber Interpolationen, die dem Reinschriftcharakter gerade zuwiderlaufen. Diese sind oft nicht von Bachs Hand, einige gehen sogar über das in der Druckfassung Realisierte hinaus. Die Musikforschung hat daraus korrekt geschlossen, dass diese Interpolationen in Hinsicht auf die Druckfassung gemacht wurden, also einige Jahre nach der ersten Fertigstellung des Werkes getätigt wurden. Diese Version der Kunst der Fuge (hier: Fassung B) wurde als „Frühere Fassung der autographen Partitur“ 1987 von der Edition Peters herausgegeben.
1) Die tatsächliche Reinschrift (Fassung A), die als einzige sowohl vollständig in sich ist als auch vollständig von Bachs Hand stammt, wurde bislang nicht ediert. Der Pianist Christian Kälberer legt jetzt seine vor einigen Jahren entstandene Einspielung der Rückschreibung der Kunst der Fuge als CD vor. Auch Klaus Hofmann beschrieb eine zuverlässige Version der Fassung A im Kritischen Bericht zur Kunst der Fuge der Neuen Ausgabe Sämtlicher Werke Bachs, von der unsere Aufnahme in einzelnen Fällen abweicht.
Natürlich war eine musikwissenschaftlich motivierte Rückschreibung der autographen Partitur nur ein kleines Ziel des Interesses Kälberers. Wesentlicher bei der Problemstellung war eine philosophische Vertiefung der Werkstruktur der Kunst der Fuge, eine Studie, die im Booklet festgehalten ist. Und selbstverständlich die einheitliche, klangliche Durchdringung dieses exzeptionellen, komplexen Klavierwerks. So wird diese Erarbeitung und Einspielung von Bach‘s non plus ultra zu einem Ganzen aus Theorie und Praxis, einem integralen Prozess aus philosophischer Theorie, musikwissenschaftlicher Forschung, absolutem Kunstwerk, autonomem Klangereignis und je subjektiver Hörerfahrung.
Bestellnummer: CTH26402
Weitere CD mit Christian Kälberer bei THOROFON:
CTH2638 Gustav Mahler: Das Lied von der Erde