CTH26562 – Aus leuchtender Romantik in dunkle Zeit

Aus Leuchtender Romantik in dunkle Zeit -Lieder und Kammermusik spätromantischer Komponisten

Unter dem Titel „Aus leuchtender Ro-mantik in dunkle Zeit“ erscheint bei BELLA MUSICA/THOROFON in Ver-bindung mit dem „pianopianissimo-musiktheater“ von Peter P. Pachl eine Doppel-CD mit deutsch-österreichischen Lied- und Kammermusik-Raritäten aus der Zeit von der vorletzten Jahrhundert-wende bis in die 1930er-Jahre.

Der österreichische Komponist, Cellist und Pianist Casimir von Pászthory (1886–1966), in Budapest geboren, lebte jahrzehntelang in Wien. Seine hier vorgestellten Lieder nach Gedichten von Rainer Maria Rilke und Hermann Hesse belegen das Gespür des Komponisten für literarische Qualität. Er gibt dem Sänger durch unaufdringliche Klavierbegleitungen große Gestaltungsfreiräume und belässt die sängerische Deklamation dicht am sprachlichen Duktus der Vorlagen. Pászthorys Stärke ist die Intensität und das Überraschungspotential seiner Harmonik, welche die tonalen Räume immer wieder nach ungewohnten Wirkungen abtastet, um den komplexen religiösen Anspielungen Rilkes („Advent“, „Um die vielen Madonnen“, „Pietà“) ebenso gerecht zu werden wie Hesses poetischen Mystifikationen („Im Nebel“, „Landstreicherherberge“, „Stufen“).

In der 1936 entstandenen einzigen Cellosonate op. 13 des Komponisten wird die nach wie vor tonale Sprache Pászthorys rauher, freizügiger, unberechenbarer als im Frühwerk: Nachwagnerische Chromatik, aber auch Ganztonfolgen und -akkorde setzt er ebenso regelmäßig ein wie melodische Wendungen, die sich aus der ungarischen Volksmusik herzuleiten scheinen; mitunter fühlt man sich plötzlich in die Klangwelt und Harmonik von Brahms, Grieg, Borodin oder gar Richard Strauss versetzt – ein Spiel mit stilistischen Vexierbildern, das der Komponist durch eine sensibel fließende Melodik, eine tief empfundene harmonische Sprache, eine abwechslungsreiche Rhythmik und nicht zuletzt durch eine klangschöne Ausformung der beiden Instrumentalparts geschickt austariert.

Der in Linz geborene jüdische Komponist Arnold Winternitz (1874–1928) gehörte ursprünglich zum Kreis um Arnold Schönberg, dessen Weg in die Atonalität er gleichwohl nicht mitging. Als Kapellmeister an die Hamburger Oper verpflichtet, brachte er dort 1918 bzw. 1925 zwei eigene Opern, „Meister Grobian“ und „Der Brautschatz“ zur Uraufführung. Kurze Klavierfassungen von Zwischenspielen aus beiden Werken belegen die pianistische Gewandtheit des Verfassers.

Einen ganz eigenen Zungenschlag entwickelt Winternitz aber in der 1919 entstandenen Liedfolge „Japanischer Frühling“. Die haiku-artige Kürze der japanischen Texte (in der deutschen Nachdichtung von Hans Bethge) muss Winternitz besonders angesprochen haben. Mit feinsten melodisch-harmonischen Gesten und durchsichtigem, oft getupftem Klaviersatz zeichnet er die poetischen Situationen nach, von den abgefallenen Blüten („Frühlings Ende“) über Blumendüfte, welche die Nachtigall anlocken sollen, den Hund, der den Geliebten nicht durch Bellen verraten soll, bis zum rasch über die Brücke eilenden, angebeteten fremden Mädchen.

Der in Madrid geborene Prinz Ludwig Ferdinand von Bayern (1859–1949) war im „Hauptberuf“ als Facharzt für Chirurgie und Gynäkologie sowie als General des medizinischen Corps der kgl.-spanischen Armee tätig. Nebenher beschäftigte er sich auf eindrucksvolle Weise mit der Komposition vor allem von Liedern. Nicolaus Lenau, Heinrich Heine, Karl Stieler und zwei adelige Autorinnen lieferten bei den hier eingespielten Liedern die Textvorlagen, und man darf vermuten, dass das ohne Textdichter veröffentlichte Lied „Grau in Grau“ auch textlich vom Prinzen selber stammte.

Vor allem bei den „Fünf Schilfliedern“ nach Lenau muss Ludwig Ferdinand den Vergleich mit anderen, wesentlich berühmteren Komponisten (darunter Mendelssohn, Schönberg und Schoeck) nicht scheuen: Sein „Tonfall“ schmiegt sich aufs Engste der bitteren Melancholie Lenaus an. Auf vordergründige (pianistische) Effekte, wie sie sich etwa bei „Trübe wird’s, die Wolken jagen“ anbieten, verzichtet er zugunsten einer stets den großen Bogen suchenden Melodik, die von einem klangvollen, harmonisch vielfältig changierenden Klaviersatz gestützt wird. Beim Lied „Ein Traum“ nach Edith von Salburg spürt man in tristan-inspirierten Vorhaltsbildungen besonders deutlich die stilistische Nähe des Prinzen zu Richard Wagner.

Eine „Elegie“ Ludwig Ferdinands in der mit Lisztschem Applomb dargebotenen Klaviertranskription August Stradals rundet das kompositorische Kurzporträt dieses bemerkenswerten Komponisten ab.

Die Interpreten Rebecca Broberg (Sopran), Hans-Georg Priese (Tenor), Bernhard Schwarz (Violoncello) und Rainer Maria Klaas (Klavier), überwiegend bereits aus früheren Produktionen des pianopianissimo-musiktheaters bekannt, leisten unter der Ägide von Peter P. Pachl eine notentextlich sorgfältige und zugleich inspirierte Arbeit, die dem Schaffen dreier wohl zu Unrecht „vergessener“ Komponisten neue Aktualität verleihen dürfte.

Bisher bei THOROFON erschienene CDs mit dem pianopianissimo-musiktheater:

CTH2562 Märchenträume – Furchtbar schlimm! (Rebecca Broberg/Hans Martin Gräbner)
CTH2578 Ludwig Thuille: Urschlamm-Idyll und Heiligenschein
CTH2585 Zauberdunkel und Lichtazur (Rebecca Broberg/Ulrich Urban)
CTH2586 Ein solcher ist mein Freund (Rebecca Broberg/Ilona Weimer/Jerome Weiss/Ulrich Urban)
CTH2609/2 Love Novels (Rebecca Broberg/Hans Martin Gräbner/Chrysanthie Emmanouilidou)
CTH2616/2 Ludwig Thuille: Nachtreise und Theuerdank
CTH2618/2 „Es glänzen die Sternlein je länger je mehr…“
CTH2619 Ein neues Wunderland der Sehnsucht (Rebecca Broberg/Rainer Klaas)

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